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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Abendrunde im Wilden Süden


meky
26.08.2009, 00:28
Wer kann schon unvoreingenommen von sich selbst erzählen? Also stelle ich euch lieber eine nette Abendrunde im Wilden Süden vor. Wer die Runde unter die Reifen nimmt erfährt vielleicht mehr über mich, als es es eine Selbstdarstellung hier leisten könnte.

Auch in der Hauptstadt des Wilden Südens (Stuttgart) sind die Mountainbikes inzwischen so gut gefedert, daß man beim Fahren kaum noch spürt ob man gerade Wurzeln oder Schotter unter den fetten Reifen hat. Und es gibt hier wahrlich viele gefederte Räder. Nur selten trifft man einen Rennlenker-Lenker abseits gut geteerter Straßen und Radwege. Nichts gegen die Mountainbike-Fraktion, ich selbst komme aus dieser Ecke, wenngleich ich es nie bis zu einer Feder am Hinterbau gebracht habe. Meine ersten Erfahrungen im Querfeldeinradeln liegen knapp 40 Jahre zurück. Als Jugendliche sind wir auf Herkules- oder gar Miele-Rädern durch die Wälder gebrettert. Da ich kein eigenes Rad hatte, wurde Mutters Damenrad umgebaut: Schutzbleche weg! Kettenschutz ab! Klingel runter! Das war damals der erste Schritt zu modernem Leichtbau. Und vor allem diese lächerlichen Gumminetze am Hinterrad, die verhindern sollten, daß die Rockzipfel in die Speichen geraten, mußten unbedingt ab. Es war ohnehin eine Strafe mit einem Damenrad im Kreis der wilden Crosser aufzutauchen. Aber es ließ sich in meinem Fall nicht ändern. Wir Jungs hatten, zum Ärger der Förster und Waldbesitzer, richtige Schneisen in die hügeligen Wälder des Schönbuchs geradelt. Wilde Abfahrten waren die Höhepunkte unserer täglichen Runden im Sommer. Am wichtigsten aber waren die gemeinen Kurven und engen Durchfahrten zwischen den Bäumen. Und nach jeder Tour musste ich rasch die Schutzbleche und vor allem das doofe Netz wieder montieren, damit meine Mutter ihr Rad wieder benutzen konnte. So lernte ich das Schrauben. Ach, wollte ich nicht von meiner Abendrunde erzählen? Verzeiht, jetzt bin ich vom Thema abgekommen.

Inzwischen, knapp vier Jahrzehnte später, setze ich mich nach der Arbeit auf mein Querfeldeinrad und radle aus Stuttgarts Innenstadt hinaus. Am Nesenbach entlang zum Neckar und dann Flußabwärts bis Remseck. Die eigentliche Runde beginnt an der Radfahrer- und Fußgängerbrücke kurz vor der Remsmündung. (Ganz in der Nähe der Endhaltestelle der U 14.) Ich überquere die Brücke mit ihrem Bretterbelag. Quere einmal die Straße und halte mich geradeaus auf einem kleinen Schotterweg zwischen Harley-Laden und dem Flüßchen Rems. Nach ein paar Kurbeldrehungen auf Asphalt geht es auf einem Forstweg hinunter ans linke Flußufer. Hier beginnt der Trail Spaß zu machen. Immer wieder führt er ganz nahe ans steile Flußufer. Auch an heißen Tagen ist die Strecke oft noch feucht und man kann sich entscheiden ob man die Schlammlöcher genußvoll durchfährt oder elegant zwischen den Bäumen um sie herumkurvt. Nein, es ist keine anspruchvolle Querfeldeinstrecke, aber ein Genuß nach Feierabend. Ich vergesse allen Streß und bin einfach nur ein irrer, der sich still lächelnd darüber freut, daß er mit schmalen 32iger Reifen auf 28-Zoll-Felgen eine zarte Fährte in die dicken fetten Montainbikespuren legt. Nur wenn der manchmal sehr schmale Weg direkt ans Steilufer der Rems führt ist Konzentration gefragt. Immer wieder brechen Teile des Ufers weg und wo gestern noch ein Weg war, kann heute schon ein unfreiwilliger Ausflug ins kühle Nass der einzige Ausweg sein. Mann fährt in meinem Alter ja aus Prinzip noch Cantilever-Bremsen. Doch ehe ihr euch zu sehr über den absolut vergnüglichen Single-Trail in schönster Landschaft erfreut, gehts nach ein paar hundert Metern erst mal links weg über eine hölzerne Fußgängerbrücke. Warum ihr hier nicht dem genialen Weg geradeaus folgen dürft erzähle ich euch am Ende. Vertraut mir einfach. Nun also am rechten Ufer flußaufwärts. Linker Hand seht ihr steile Felsen eines alten Steinbruches. Die Rems hat sie hier sehr tief in die Landschaft eingegraben und ein enges Flußtälchen ist entstanden. Der Schotterweg wechselt immer wieder mit weichem Waldboden ab. Ein paar nette Steigungen bleiben nicht aus. Bei Regen verwandelt sich der Weg in eine Schlammpiste. Ihr bleibt für die nächsten Kilometer einfach immer so nah wie möglich am Flüßchen und könnt so meine Runde nicht verfehlen. Bei einer alten Mühle trefft ihr auf eine Teerstraße die nach rechts über ein Stauwehr auf die andere Flußseite führt. Wer Zeit hat kann gerne weiter flußaufwärts radeln und sich über die schöne Flußlandschaft freuen. Ich aber nehme den Weg am anderen Ufer zurück nach Remseck. Nach der Brücke am Wehr ein kurzer Anstieg auf einer Fahrstraße. Die erste Möglichkeit rechts wieder hinunter zum Fluß nehmen. Vorbei an einem Klärwerk kommt ihr rasch auf saftiges Wiesenland das zwischen den Schleifen des Flüsschens liegt. Der Weg ist wieder nicht zu verfehlen, wenn ihr dem stehts nahen Wasserlauf folgt. Über Wiesen und durch kleine Wälder führt der Weg zum Teil wieder ganz nahe an die Rems heran. Manchmal rüttelt einen der uralte Schotterweg durch, dann folgen echte Singletrails durchs Gras und kurvige Pisten, über weichen Waldboden und harte Wurzeln. Am schönsten ist der Weg immer dann, wenn er wieder einmal ganz nahe an das Steilufer heranführt. Hier habt ihr meist die Wahl zwischen dem mutigen Fahren am Abgrund oder ängstlichem Kurven zwischen dem Bäumen um dem Ufer ja nicht zu nahe zu kommen. Es ist nicht wirklich anspruchsvoll, aber es macht großen Spaß. Kurz bevor ihr wieder an der Holzbrücke angelangt seit, solltet ihr euch wenigstens einmal umdrehen. Dann seht ihr nähmlich auch das Schild fürs Naturschutzgebiet, in welchem das Radeln eigentlich nicht erlaubt ist. Wenn ihr jedoch von dieser Seite kommt könnt ihr mit Fug und Recht behauten kein Schild gesehen zu haben. Und da ist wirklich keins! So, jetzt wisst ihr warum ich euch zu Beginn ans andere Ufer gelockt habe. Nach wenigen Metern seid ihr zurück an der Mündung der Rems in den Neckar. Und genau dort gibt es einen netten Biergarten zwischen den Brücken der Radwege.

Jetzt habe ich mehr von mir erzählt, als ich eigentlich wollte. Ich hoffe, der eine oder andere hat mal Gelegenheit meine Runde zu fahren und wer weiß, ob ihr einem grauhaarigen langen Kerl auf einem, für Mountainbiker völlig falschen Rad, begegnet.

Im September ziehe ich nach Fulda und bin dann auf der Suche nach ebensolchen Abendrunden zwischen Vogelsberg und Rhön.

Ach, ich wollte mich doch vorstellen: Martin. :)

cyclingjudge
26.08.2009, 08:31
Hallo Martin,
willkommen im Club.
Laß dich vom manchmal hier herrschenden Umgangston nicht abschrecken. Wir wollen alle nur spielen.:D
Die wirklich ernsten Dinge werden beim Cross"rennen" in Cochem geklärt.:D

Ansonsten: Schöner Text, läßt sich gut lesen. Man könnte meinen, du hast irgendwas mit der schreibenden oder bildenden Zunft zu tun. Man kann sich die Strecke gut vorstellen.

Fulda und Umgebung sollten dir ähnliche Reviere bieten können wie Stuttgart. Für nen ersten Überblick würd ich mal hier (http://www.gpsies.com) vorbeischauen.

Helmut

meky
26.08.2009, 09:27
Danke für den guten Link Helmut.

cyclingjudge
26.08.2009, 12:05
Kein Problem. Gerne.
In kleinen Dingen sind wir groß.:D

Aber die Seite ist schon ganz gut. Wenn ich irgendwohin fahre, wo ich noch nicht war, schaue ich da auch immer mal rein, vielleicht findet sich da was.
Auch net schlecht ist das hier (http://www.gps-tour.info/de/index.html). Da dann auf "Touren und Tracks" und dann "Suche/Karte". Da kannst dann mal "Fulda" eingeben und du bekommst ein paar Strecken angezeigt.

Elmar
26.08.2009, 15:42
Schöner Text.

Gismo834
26.08.2009, 22:23
Hier

http://www.bikemap.net/#lt=50.49945&ln=7.20703&z=6&t=0

findest du auch schöne Strecken.

meky
26.08.2009, 22:53
Danke für die Links! Es gibt ja unzählige Routen in dieser virtuellen Welt. Nun werde ich mich an einer schönen Stelle auf einer dieser Strecken wohl hinsetzen müssen und warten bis ein völlig Verrückter mit Rennlenker, kurzem Oberrohr, antiquierten Bremsen, erhöhtem Tretlager und Stollenreifen vorbeikommt. Den werde ich dann verfolgen und so lange nerven, bis er mir die realen Wege zeigt auf denen der gewöhnliche Rennradler schon aus Sorge um seine teuren Luxusfelgen seinen Nobelhobel lieber schiebt.
Nein, dies ist keine Kontaktanzeige! Aber über Zuschriften aus hessisch Sibirien würde ich mich dennoch freuen. :D
Gruss Martin

Elmar
26.08.2009, 22:57
sehe gerade zum erstenmal die stichwortfunktion......
ist mir noch nie aufgefallen.............

meky
27.08.2009, 00:02
Ja Elmar, die Stichworte werden in diesem Forum völlig vernachlässigt. Dafür gibt es viele Worte die stechen. Im übrigen finde ich es sympatisch, daß hier nicht jedes Wort gestochen sein muß. Und wenn mir jetzt noch einer erklärt, wofür ich armer Unwissender hier mühsam Worte in die Stichwortliste einsteche, wenn ein Wissender wie ein Crossladenbetreiber nicht mal weiß daß hier überhaupt gestichwortet werden kann, dann bin ich glücklich und fühle mich gestichelt. Sonst könnt íhr mir gestochen bleiben! :)

Duafüxin
27.08.2009, 07:21
Ahhhh, Du bist also DER Martin. Willkommen *winksmilie*

Hyppsche Gegend hast Du Dir ausgesucht. Du findest bestimmt noch jemanden zum Spielen :D

Greetz, Steffi

gooldi
29.08.2009, 21:22
Prima Text, mußte schmunzeln!

Gruß aus`m:D Norden!